Landrat gesucht!

Sechs Kandidaten auf dem Prüfstand

Mi, 16. Jan. 2019 · Auf den Punkt

Gleich sechs Kandidaten möchten die Nachfolge von Landrat Michael Busch antreten. Beim Regionentalk der Sparkasse Coburg - Lichtenfels fühlten Thomas Apfel (Radio Eins) und Oliver Schmidt (Coburger Tageblatt) den Bewerbern auf den Zahn.

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Hans FenzleinSo, 20. Jan 2019 · 06:10
Als Sprecher der „ÖPNV-Initiative Seßlach Verbesserung ÖPNV“ bin ich über die ein oder andere Aussage etwas verwundert.
ÖPNV im Landkreis Coburg wurde von Herbst 2016 bis Ende 2018 innerhalb von ZWEI JAHREN in der Ära Busch STARK VERBESSERT. Landkreis Coburg hat mittlerweile für ländliche Regionen einen der besten ÖPNV (komme als Außendienstler viel herum und sehe wie es anderenorts läuft bzw. nicht läuft). Der Landkreis Coburg hat seine Hausaufgaben also besser als andere gemacht !!!
(1) Die Hauptachsen (Weitramsdorf/Seßlach + Untersiemau/Großheirath/Itzgrund + Ebersdorf/Sonnefeld/Weidhausen + Dörfles/Rödental/Neustadt/Lautertal + Bad Rodach) sind bereits seit Herbst 2016 von früh bis abends mit einem Stundentakt versorgt ( = eingeführtes Grundmodell).
(2) Nebenachsen werden mit Bedarfsverkehr (Rufbusverkehr) ebenfalls versorgt. Dort wo Bürger in Arbeitskreisen dem Landratsamt zugearbeitet haben gibt es mittlerweile ebenfalls stündliche Versorgung (Seßlach ist hier sicherlich Vorbild für den ganzen Landkreis; Herbst 2016 schlechteste Versorgung, jetzt seit 12/2018 beste Versorgung). Stich-, Schleifen- und Parallelfahrten sowie mehrere Hundert Leerfahrten mit großen Bussen wurden im Gegenzug im Bereich Seßlach abgeschafft (also nicht alle Verbesserungen kosten immer Geld; manche führen sogar zu einer Ersparnis).
(3) Im Schülerbereich wurden Anpassungen an Schulzeiten angepasst und Zusatzbusse zur Vermeidung von Überfüllungsproblemen eingesetzt. Schulzubringer wurden optimiert und ergänzt. Jahrzehntelange Kämpfe und Gedränge um Busplätze jeden früh am Morgen am ZOB gehören der Vergangenheit an. Die Vorlage des Seßlacher Direktbusses wurde auf alle Landkreislinien übertragen, so dass es morgens in der 7:30 Uhr-Zeitlage am Coburger ZOB seit ca. einem Jahr entspannter als früher zugeht. Die sieben ZOB-Schulzubringer werden auch täglich früh von 200 – 300 Schülern genutzt !!!
Fazit: Über 90 % der Fahrgastwünsche und Probleme (100% ist wahrscheinlich niemals erreichbar) wurden umgesetzt (das sollte auch mal gesagt werden und auch so kommuniziert werden). Nur wenige Einzelorte (wie z. B. Schlettach) sind nach wie vor noch ganz schlecht versorgt.

Die sechs Hauptprobleme:
(1) Medial sind immer noch die Probleme von Herbst 2016 in den Köpfen der Leute. Hängt damit zusammen, dass über negative Probleme mehr berichtet wird als über positive Lösungen (die mittlerweile geschaffen wurden). Die vielen Verbesserungen sind teilweise bei potentiellen Fahrgästen und Volksvertretern + Medien allerdings gar nicht bekannt (zeigt auch diese politische Diskussion; wenn man mal mit dem Bayern-Fahrplan die Aussagen checkt).
(2) Viele Berufstätige kommen mittlerweile überwiegend gut nach Coburg und wieder retour. Problematisch bzw. unattraktiv sind noch recht oft die letzten Meilen in der „City“ vom Coburger-ZOB zum Arbeitsplatz und wieder retour zum ZOB-Anschluss.
(3) Bedarfsverkehr (Rufbusverkehr mit Bus/Taxi) hat bei manchen noch eine gewisse Hemmschwelle.
Man muss eine ganze Reihe potentieller Fahrgäste defakto noch besser aufklären und überzeugen.
Auch hier würde ich mir etwas mehr mediale Unterstützung wünschen. Das ÖPNV-System ist aber nur so bezahlbar (gefahren wird nur was gebucht/bestellt wird). Ferner haben Rufbusse auch Vorteile (kürzere Fahrtzeiten durch abgekürztes Fahren da nur gebuchte Haltestellen bedient werden und auch ein Einstieg ist möglich im Gegensatz zu Linienbus-Bedarfsausstiegshaltestellen). Digitalisierung bietet hier einen echten Mehrwert für die Bürger.
Immer wieder höre ich zum Beispiel den Irrglauben, das Taxis (als Rufbus) mehr kosten oder extra bezahl werden müssen, obwohl hier die ganz normalen Fahrpreise gelten.
(4) Wenn man aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes Autofahrer dazu bewegen will auf den ÖPNV umzusteigen, muss an der Preisschraube gedreht werden und Steuermittel eingesetzt werden (eine Kostendeckung wird es bei ländlichen ÖPNV nie geben). Taktverbesserungen wären sicherlich schön, sollten auch dort gemacht werden wo noch Lücken sind, aber vordergründig sollten die vorhandenen (teilweise nicht bekannten) Ressourcen erstmal in der Auslastung optimiert werden. Einzelfahrpreise von 11 – 12 EUR für Hin- und Rückfahrt für 2x20km sind nicht gerade ein Anreiz um vom Auto auf ÖPNV umzusteigen (ausser man spart sich ein Auto in der Familie, was dann mehrere Hundert Euro Ersparnis im Monat bringt). Bequemlichkeit und gefühlte Freiheit des Autofahrens ist ein ganz erheblicher Grund was den Umstieg zusätzlich behindert.
(5) Es gibt bereits Strecken die mit Halbstundentakt bedient werden (z. B. Bereich Ebersdorf mit Bus + Zug) sowie Senioren-Abo-Plus-Zeitwertkarten für 30 EUR im Monat. Trotzdem fahren lieber viele mit dem Auto statt mit dem ÖPNV. Wenn dann noch 50% der Schüler per „Eltern-Taxi“ zur Schule gebracht werden (obwohl kostenfreie ÖPNV-Beförderung) frage ich mich schon ob manche Bürger Klima- und Umweltschutz wirklich ernst meinen (jeder muss mal bei sich selbst anfangen und nicht nur nach der Politik schreien).
(6) Auszubildende mit unterschiedlichen Wohn-, Ausbildungs- und Berufsschulort (betrifft vor allem handwerkliche Berufe) haben neben teils schlechten landkreisübergreifenden Verbindungen (teilweise gibt es auch gute Verbindungen) das Problem mit überhöhten Fahrpreisen, da Zeitwertkarten nicht für verschiedene Fahrtrichtungen gelten. Lösungsstichwort: Ausbildungsticket.
Mit diesen Steinen, die man den jungen Leuten in den Weg legt, gewinnt man keine handwerklichen Fachkräfte von morgen.

Zukunft:
Das Pilotprojekt 365 EUR-Jahresticket (vorausgesetzt Land bezahlt es dann auch; Landkreis hat seine Selbstbeteiligung ja im Voraus für bereits geleistete Ressourcenerweiterungen erbracht) wäre ein interessanter Weg mal zu testen, ob Bürger wirklich vom Auto auf ÖPNV umsteigen und damit der Klima- und Umweltschutz ernsthaft verbessert wird. Ergänzt mit Ressourcenverbesserungen wo noch Lücken sind.
Ferner sollten in jeder Gemeinde ÖPNV-Arbeitskreise gebildet bzw. organisiert werden, die dem Landratsamt zuarbeiten (schließlich kann das Landratsamt keine 10 Leute als ÖPNV-Beobachter einstellen sowie ÖPNV-Lücken logischerweise gar nicht durch Beobachtungen feststellen).
In Dörfern – wo noch Versorgungsmangel herrscht – sollten also Bürger tatkräftig mitanpacken.
Insofern gehen alle gemachten Aussagen der Landrat-Kandidaten in die richtige Richtung. ÖPNV ist „hochkomplex“ (das war die Aussage unseres alten Landrates; also einfach wird es für den neuen Landrat nicht wenn man das System noch weiterentwickeln will).


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